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I. Abhandlung-: v. Srbik.
aber die unbedingte Verehrung der politischen Autorität und
das Unverständnis für die bedeutsamen anderen in der Gesell
schaft und im Staate wirkenden Kräfte. In keinem Punkte
zeigt sich dies so deutlich als in seiner Stellung zur Lehre
vom Staatsvertrage. Nachdem Althusius 1 die Theorie der
Vertragslehre begründet, Gesellschafts- und Herrschaftsvertrag
scharf geschieden hatte, nachdem dann seit Grotius die Be
gründung der Staatsgewalt auf den Unterwerfungsvertrag zum
allgemeinen geistigen Besitzstände geworden war, hatte Hobbes
dem Volksrechte den entscheidenden Schlag beizubringen ver
sucht. Die Fragen nach Widerruflichkeit und Unwiderruflich
keit des Vertrages, nach voller Herrschersouveränität oder be
dingter Delegierung der Staatsgewalt durch das Volk an den
Fürsten — Fragen, deren schärfste Gegenpole Bodin und Althu
sius bezeichnen — hatten die ursprüngliche Souveränität des
Volkes und seine Auffassung als eines rechts- und handlungs
fähigen Subjektes nicht berührt; indem nun Plobbes den Ver
trag des Volkes als eines Ganzen durch den Vertrag jedes Ein
zelnen mit jedem seiner Mitmenschen und mit dem Herrscher
ersetzte und nach diesem Vertrage sofort die Einzel willen und
die Volkspersönlichkeit verschwinden ließ, hat er den Dualis
mus der Staatslehre vernichtet, die Person des Herrschers hat
die des Volkes aufgesogen, er ist Körper, nicht bloß Seele
des Staates, 2 das Herrscherrecht ein absolutes, von keinem
Rechte des Volkes oder des Einzelnen beschränktes, der Volks
wille zur rechtlich nichtigen Meinungsäußerung geworden.
Schröders Staatslehre bringt nunmehr eine deutliche Rück
bildung gegenüber der Hobbesschen Lehre: mit Berufung auf
die Heilige Schrift bestreitet er schlechtweg die Existenz eines
ursprünglichen Unterwerfungsvertrages und läßt den kümmer
lichen Rest von Volkssouveränität, den der Hobbessche Ratio
nalismus für die Urzeit des Menschengeschlechtes angenommen
hatte, nur insoferne noch gelten, als nach seiner transzendenten
Auffassung das Volk sich freiwillig für immer seiner Rechte
in die Hände Gottes begeben hat; Gott hat dann dem Herrscher
1 Das Nächstfolgende nach 0. Gierke, Johannes Althusius und die Entwick
lung der naturrechtlichen Staatstheorien, 2. Aufl. (Breslau 1902), S. 76 ff.
2 J. C. Bluntsehli, Geschichte der neueren Staatswissenschaft, 3. Auii. (Mün
chen 1881; Geschichte der Wissenschaften in Deutschland, 1. Bd.), S. 119 ff-